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Thesen und Fragen zu Vortrag und Diskussion anlässlich des Demokratietags am 15.09.2023 in Worms auf dem Obermarkt

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(@florian-dieckmann)
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Themenstarter  

Ich bin in meiner Eigenschaft als Vorstandsmitglied der Kultur- und Begegnungsstätte Hamburter Tor e.V. gefragt worden, ob ich nicht anlässlich des Demokratietags am 15.09. auf dem Obermarkt einen kurzen Vortrag halten und an der Podiumsdiskussion teilnehmen möchte.

Hier mein Entwurf meines Themas und möglicher Fragen zum Thema, das ich vorab zur Diskussion stelle in der Hoffnung auf Ergänzungshinweise, Hinweise zu sinnvollen Streichungen oder sonstige Anmerkungen.

Politische Kultur als Wissen um soziale Technik am Beispiel des Politikfelds "Müllentsorgung"

In jedem Buchladen gibt es mehrere Regalmeter Bücher, wie man einen Garten anlegt und Gemüse zieht, aber es gibt kein einziges instruktives Buch, was man tun kann, wenn man einen Teil seiner Zeit in wirkungsvolle politische Arbeit stecken möchte.

Wie ist also der Stand der Technik und der Praxis unserer Demokratie? Ist unsere Demokratie intuitiv benutzbar? Oder sollte ich besser das Handbuch lesen? Und falls ja, wo finde ich das Handbuch?

Einst schrieb jemand, politische Kultur zu beschreiben sei, als wolle man einen Pudding an die Wand nageln. Das so zu sagen halte ich für falsch und irreführend. Es verklärt die Sache und entspricht noch nicht einmal dem damaligen Stand der Forschung.

Demokratie ist nur eine Methode. Eine Sozialtechnik. Politische Kultur ist zu aller erst ein Vorrat an Wissen und Fähigkeiten.

Ich behaupte, das politische Vereine einschließlich der Parteien Beteiligungs-Plattformen sind, die zu aller erst als individuell Nutzen stiftende Infrastrukturen und dann erst in zweiter Linie als Gesinnungsgemeinschaften miteinander in Wettbewerb stehen. Ich denke aber, dass in unserer Zeit ein vollkommen falsches Verständnis von "Parteien" dominiert und wir deshalb unnötigerweise hinter unseren Möglichkeiten zurückbleiben.

Die meisten Berufstätigen gehen heute anspruchsvollen Tätigkeiten mit teils mehrjährigen Ausbildungen nach. Überall und ständig nutzen wir Computer oder das Smartphone. Wie sieht also die Benutzeroberfläche unserer Demokratie aus?

Spielen wir das also doch einfach mal am Beispiel der Müllentsorgung durch, um uns diese Sozialtechnik anzusehen und uns die Frage zu stellen, ob wir aktuell auf der Höhe unserer Möglichkeiten arbeiten, wenn es um "das Politische" und um "unsere Demokratie" geht.

Denn egal, welcher Generation man angehört, welchem Konsummilieu, welcher Berufsgruppe, welche Herkunftsgeschichte man teilt, wie man "tickt", welche Werte einem mehr oder weniger wichtig sind. Die Müllentsorgung ist ein gemeinsames Problem. Ein politisches Problem. Denn jede Lösung wird alle betreffen.
Praktisch am Beispiel der Müllentsorgung ist, dass

  • es jeden betrifft,
  • jeder sich darunter etwas vorstellen kann,
  • jeder Erwartungshaltungen an unterschiedliche Akteure hat
  • jeder eine Vorstellung von seiner eigenen Rolle hat,
  • nicht jeder die an der Thematik beteiligten Akteure und die das Feld bestimmenden Regeln und Prozesse kennt
  • es sich um ein klassisches Politikfeld der Kommunalpolitik handelt, das mit weiteren Arenen des politischen Mehrebenensystem verschränkt ist und das sich als Issue von der
  • politischen Öffentlichkeitsarbeit in jedem Issue-Modus (universalisierbar, advokatorisch, speziell oder technisch) gespielt werden kann
  • zwar politische Vereine wie NABU oder den BUND gibt, die eine Affinität zum Thema haben, aber im Grunde entweder nur engagierterEinzelpersonen oder aber Arbeitsgruppen von Parteien das Thema politisch bearbeiten, wobei sie über Mandatsträger, Stadtrat, Auschüsse und Aufsichtsratsfunktionen bspw. bei der EBWO AöR wirken

Das Politikfeld "Müllentsorgung" ist also nützlich, um über Form, Zugänglichkeit, Effizienz und Effektivität der politischen Arbeit zu sprechen und über uns selbst, die Bürger zu sprechen, ob und inwiefern wir Demokratie als Prozessmodell gewachsen sind.

Angesichts des Niedergangs nicht nur der politischen Vereine und des Widererstarkens von Populismus und Faschismus müssen wir uns aber die Frage stellen, ob wir, wenn es um "Politik" und "Demokratie" geht, wirklich auf der Höhe unserer Möglichkeiten sind.

Fragen:

  • Welche Rückschlüsse ziehen wir aus einem objektiv wahrnehmbaren Mangel an Beteiligungsaktivität für unsere Demokratie als sozialer Technik?
  • Besitzen wir die Fähigkeiten zu ihrem Gebrauch und wissen wir überhaupt von ihnen Gebrauch zu machen?
  • Über welche "Accounts" haben wir zu ihr Zugang, wie nutzen wir unsere "Demokratie-Accounts" in unserem Alltag?
  • Wie sehen die Prozesse aus, an denen sich jeder und jede einzelne mit ihren Accounts produktiv beteiligt?
  • Wieviel Zeit kann oder muss jede und jeder einzelne investieren?
  • Und wenn wir Zeit investieren, was tun wir da eigentlich genau, mit welcher Nutzenerwartung und mit welchen möglichen Ergebnissen?
  • Es gibt heute viele Unterhaltungsangebote, mit denen Engagement im Wettbewerb um Zeitressourcen steht. Kultur- und Sportevents, Netflix, uvm.
    Was macht Engagement attraktiv, in diesem Wettbewerb zu bestehen?
  • Menschen tauschen sich häufig in Internetforen zu allen möglichen berufspraktischen und privaten Themen aus.
    Welche Foren funktionieren für die Demokratie?
  • Menschen üben heute überwiegend informationsbasierte, computerunterstützte Berufstätigkeiten in hoch arbeitsteiligen Prozessen aus. Von der Kassierer*in über die Handwerker*in oder die Produktionsleiter*in bis zur Fachärzt*in.
  • Wie sehen dementsprechend die Werkzeuge, Prozesse, Arbeitsplattformen und Zugänge des "Produktionsprozess Demokratie" aus? Wie sieht das Onboarding der Nutzer in den "Plattformen" aus?
  • Menschen, die jünger sind als ca. 50 Jahre, sind in der Regel mit Rollenspielen auf dem Computer oder als Brettspiel vertraut.
    Wenn man sich Demokratie wie ein Computerspiel im Mehrspielermodus vorstellt (ähnlich wie Minecraft), welche Level lassen sich unterscheiden? Welche Fortschritts- und Entwicklungs-Stufe erreichen die "Bürger" in diesem Spiel? Was bindet die Menschen an das Rollenspiel, wodurch wird es interessant? Woran scheitern sie in diesem Rollenspiel?

   
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