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Einführung in Struktur und Herausforderungen des kommunalen Haushalts der Stadt Worms

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(@florian-dieckmann)
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Florian Dieckmann, Stand 30.10.2023 (Link zur pdf-Datei)

In diesem Aufsatz unternehme ich den Versuch, die Problemstellung und strategische Herausforderung zu formulieren, vor dessen Hintergrund der Haupt- und Finanzausschuss (HFA) des Wormser Stadtrats am 30. und 31. Oktober 2023 den Haushaltsentwurf für das Jahr 2024, die Steuerhebesätze für die kommunalen Steuern, den Stellenplan und das Projekt der Haushaltskonsolidierung in den kommenden neun Jahren berät. Die hier besprochenen Beschlussvorlagen findet man unter https://worms.gremien.info/meeting.php?id=2023-2-57

Ziel dieses Aufsatzes ist es, jeder*jedem Interessierten eine Orientierung zu geben, wie ein kommunaler Haushalt aufgebaut ist und an welchen Stellen es in Zukunft hinzuschauen lohnt, um mitdenken und die Kommunalpolitik mitgestalten zu können, ohne sich vorhalten lassen zu müssen, in Unkenntnis oder aus Desinteresse an finanziellen Zusammenhängen naiv daher zu reden. Bei meiner Einarbeitung in die Thematik sind mir Katharina Schmitt und David Hilzendegen behilflich gewesen, denen ich dafür sehr dankbar bin.

Inhaltsverzeichnis

1. Problemstellung und strategische Herausforderung

2. Entstehung und Bedeutung einer Haushaltssatzung

3. Aufbau der Haushaltssatzung

4. Verbot der Neuverschuldung

5. Problemstellung "ausgeglichener Haushalt" und Lösungsansätze

5.1 Steuererhöhungen und mittelfristige Steigerung von Erträgen aus kommunalen Steuern

5.2 Effizienz des Mitteleinsatzes

5.3 Mangelnde Mittelzuweisungen von Bund und Land

6. Strategiediskussion der gestaltgebenden Kommunalpolitik

 

  1. 1. Problemstellung und strategische Herausforderung

Die Stadt ist in großen Schwierigkeiten. Denn nach Lage der Dinge müsste die Stadt im Jahr 2024 31 Millionen Euro mehr ausgeben, als sie einnehmen kann. Sie darf sich aber nicht weiter verschulden. Also kann sie in 2024 nur dann einen ausgeglichenen Haushalt erreichen, wenn sie weniger ausgibt oder mehr einnimmt. Dabei ist sie in ganz Rheinland-Pfalz nur eine von zwei oder drei Städten, die diese Situation womöglich nicht wird meistern können.

 

Was bei der Beratung des städtischen Haushalts überdeutlich sichtbar wird, ist die strategische Herausforderung: Worms ist zu wenig attraktiv für hochwertige und kleinräumige Gewerbe, hat aber zugleich viele Menschen, die keine gute Arbeit finden. Durch eine ungenügende Ansiedlungs- und Stadtentwicklungsstrategie hat sich Worms in eine Situation begeben, in der die Gewerbe- und Einkommenssteuer zu gering ausfällt, der Flächen- und Umweltverbrauch sowie der Fahrzeugverkehr monströse Ausmaße annimmt, während die Kosten der sozialen Sicherung ungebrochen zu hoch sind. Der Beginn einer Abwärtsspirale ist im Gange. Worms erlebt weiterhin Zuzug aufgrund seiner vergleichsweise niedrigen Immobilien- und Mietpreise, sieht sich aber dem Risiko der Abwertung der Immobilien und der weiteren Verschlechterung seiner Sozialstruktur gegenüber, sobald die Qualität als Wohnstadt weiter sinkt. Die Qualität als Wohnstadt wiederum ist ein relevantes Argument bei der Anwerbung hochwertiger Gewerbe, da diese in Zeiten des Fachkräftemangels ein attraktives Wohn- und Lebensumfeld bieten können müssen, um Personal zu werben und zu halten. Im Moment des Verbots der Neuverschuldung gerät dies zum selbstverstärkenden Kreislauf. Denn es bedarf ausreichender Mittel, im Wettbewerb mit anderen Gewerbe- und Wohnstandorten den zeitgemäßen Ansprüchen

  • an die Verfügbarkeit von Kinderbetreuung
  • an die Qualität der Schulen
  • an die Attraktivität der Stadt als baulichem Raum,
  • an den für Kinder und Erwachsene sicherem und freundlichem Verkehrsraum,
  • an die Stadt als Ort des Einzelhandels,
  • als Ort der Kultur und der Freizeit,
  • an die funktionierende Durchsetzung von Ordnung und Sicherheit.

gerecht zu werden.

 

Die notwendige Diskussion der übergeordneten Strategie und der daraus folgenden Entscheidungen wird verdeckt durch die Tatsache, dass Worms, wie andere Kommunen, zu wenige finanzielle Mittel aus dem Finanzausgleich von Bund und Land erhält, um die der Stadt durch Bundes- und Landesgesetze verpflichtend auferlegten Aufgaben erfüllen zu können. Staatsrechtlich handelt es sich um Probleme der fortgesetzten Verletzung des Konnexitätsprinzip nach Grundgesetz Artikel 104a durch Bund und Land. Mit der Folge, dass in Worms aus eigener Kraft vorhandenes Geld zur Umsetzung der von Bund- und Land definierten Minima verwendet werden muss, statt für strategische Entwicklung zur Verfügung zu stehen.

  1. 2. Entstehung und Bedeutung einer Haushaltssatzung

Der "Haushaltsplan" einer Stadt ist eine Satzung, die von der satzungsgebenden Versammlung der Stadt, dem Stadtrat, beschlossen wird. Diese "Haushhaltssatzung" gilt immer für ein Wirtschaftsjahr und muss sich an die ihr übergeordneten Regeln der "Normenpyramide" halten. Ob die übergeordneten Regeln eingehalten werden prüft die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) des Landes. Die Normenpyramide besteht von oben nach unten aus dem Grundgesetz, den Bundes- und Landesgesetzen, den Verordnungen, dann den Satzungen und schließlich aus den Verwaltungsvorschriften. Das heißt, die Verwaltungsvorschriften der Kommune sind wiederum der Haushaltssatzung unterworfen. Der Haushaltsplan besteht jedoch nicht nur aus der Satzung allein, sondern er enthält noch diverse Anlagen wie den Ergebnis- und den Finanzhaushalt sowie den Stellenplan.

 

Den Entwurf der Haushaltssatzung als Dokument zur Diskussion und Beschlussfassung erarbeitet die kommunale Exekutive. In Worms sind dies aktuell konkret der Leiter des Bereichs 2 "Finanzen", Andreas Soller in Zusammenarbeit mit der Abteilungsleiterin der Abteilung 2.01 "Haushalt", Daniela Adelfinger. https://www.worms.de/neu-de-wAssets/docs/buerger-unterstuetzen/buergerdienste/Organigramm_Stadtverwaltung.pdf

Die Details der Vorlage werden in den thematisch jeweils zuständigen Fachausschüssen diskutiert, die ihrerseits Empfehlungen an den Haupt- und Finanzausschuss (HFA) abgeben. Diese Ausschüsse bestehen aus Mitgliedern des Stadtrats. Eine Besonderheit, die in der Haushaltssatzung nicht ohne weiteres transparent wird, sind die sogenannten Sondervermögen, die ihrerseits Ertrags-, aber auch Kosten- und Neuverschuldungseffekte einbringen. Es handelt sich gewissermaßen um eigenständige Zusatzhaushalte, die Erträge aus Vermietung oder Verpachtung erwirtschaften. Der HFA überwacht für Worms die Sondervermögen "Freizeit", "Parkhaus" und "KuTaz". Das Sondervermögen "Freizeit" beinhaltet bspw. den Unterhalt und Betrieb der Schwimmbäder u.a., das Sondervermögen "Parkhaus" den Unterhalt und Betrieb der städtischen Parkhäuser, das Sondervermögen "KuTaz" den Unterhalt und Betrieb des Wormser (ehemals tituliert als "Kultur- und Tagungszentrum", kurz: KuTaz). Analog zu den Fachauschüssen des HFA gibt es für jedes Sondervermögen Betriebsausschüsse, die personenidentisch sind mit den Gesellschafterausschüssen der jeweiligen Tochtergesellschaften. Den Effekt auf den Haushalt erkennt man bspw. beim Betrieb oder der Sicherung ungenutzter Parkhäuser wie bspw. unter dem Ludwigsplatz oder in der Friedrichstraße. Hier entstehen jährlich mittlere sechsstellige Kosten, Zukunft unklar.

 

Der HFA beschließt nun auf der Basis der Zuarbeit von Verwaltung, Fachausschüssen und Betriebsausschüssen der Sondervermögen eine Vorlage, die er dem Stadtrat zur Beschlussfassung vorlegt. Der Stadtrat beschließt dann die Haushaltssatzung für das jeweilige Folgejahr einschließlich aller Anlagen zur Haushaltssatzung. Dieses Dokument bestätigt der Oberbürgermeister mit seiner Unterschrift (ähnlich wie der Bundespräsident Bundesgesetze unterschreibt).

 

Etwas überspitzt formuliert setzt sich dann der Oberbürgermeister in eine Limousine der Stadt und lässt sich vom eigens dafür beschäftigten Fahrer mit dem Dokument nach Trier zur Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) fahren, die für die Überwachung der Einhaltung der Gesetze zuständig ist und die disziplinarrechtlich dem Innenministerium des Landes Rheinland-Pfalz unterstellt ist. Dort zieht er eine Nummer und wartet, bis die zuständige Sachbearbeiterin ihn aufruft. Diese sieht dann die Haushaltssatzung und alle Anlagen ganz genau durch und entscheidet, ob der beschlossene Haushalt den geltenden Gesetzen entsprechend der Normenpyramide entspricht.

 

Dabei können drei Dinge geschehen: Im einfachsten Fall ist alles in Ordnung. Dann wird der Haushalt genehmigt und tritt mit diesem Tag in Kraft. Die Stadt kann neue Verträge abschließen und neue Projekte beginnen.

 

Im schlechteren Fall wird der Haushalt "mit Auflagen" genehmigt. In diesem Fall definiert die Sachbearbeiterin Bedingungen, die die Stadt einzuhalten hat, bspw., indem sie zulässige Ausgaben streicht oder senkt. Auch in diesem Fall ist die Stadt handlungsfähig.

 

Im schlechtesten Fall stellt die Sachbearbeiterin fest, dass der Haushalt nicht den geltenden Gesetzen entspricht. Dann schickt sie den Oberbürgermeister wieder weg mit den besten Grüßen an seinen Stadtrat und der Bitte, sich an die Gesetze zu halten und möglichst bald mit einem besseren Entwurf wieder zu kommen. Dieser Fall ist für viele in der Stadt denkbar ungünstig, weil dann keine neuen Projekte begonnen und keine neuen Verträge geschlossen werden können. Es gilt die sogenannte vorläufige Haushaltsführung. Dadurch kann es auch zum Stillstand in laufenden Projekten wie bspw. dem Schulen- und Kitabau uvm. kommen. Diesen Zustand hat es in Worms schon einige Male gegeben und die Verzögerung reicht dann in der Regel bis in den Februar oder März, in Ausnahmefällen auch schon mal bis in den Juni.

  1. 3. Aufbau der Haushaltssatzung

Die wichtigsten Anlagen zur Haushaltssatzung sind der Ergebnishaushalt und der Finanzhaushalt. Der Ergebnishaushalt (siehe S.5ff) ist quasi das "Girokonto" der Stadt. Dort werden alle regulären Einnahmen und Ausgaben der Stadt abgebildet. Der Finanzhaushalt ist der Teil, in dem die Investitionen u.a. in Gebäude wie Schulen und Kindergärten und Verkehrswege festgelegt sind. Im Gegensatz zu den laufenden Einnahmen und Ausgaben im Ergebnishaushalt stehen den Ausgaben im Finanzhaushalt jedoch Werte entgegen, da jede gebaute Kita und sanierte Schule die Bilanz der Stadt verbessert. Dadurch genehmigt die ADD eine Neuverschuldung in diesem Bereich problemloser als im Ergebnishaushalt, da dort verausgabtes Geld „einfach weg“ ist.

 

Aus dem Ergebnishaushalt ist rasch ersichtlich, welche Einnahmequellen die Stadt hat. Die Einnahmequellen der Stadt setzen sich aus unterschiedlichen Steuer- und Abgabearten wie bspw. der Grundsteuer, der Gewerbesteuer oder der Hundesteuer sowie aus Zuweisungen des Landes zusammen. Ausführliche Erläuterungen dazu siehe S.9 und S.13, hier u.a. Informationen zur Zahl der Steuerpflichtigen, zur Zahl der Grundsteuerobjekte, zur Zusammensetzung des Gewerbesteueraufkommens und zu den Anspruchsanteilen auf sonstige Steuern, zur Zahl der Hunde, der schankgenehmigungspflichtigen Betriebe uvm. Ergänzend werden die Zuweisungen für Soziales unmittelbar im Zusammenhang mit den Aufwendungen für Soziales ausgewiesen (siehe S.21)

 

Auch wohin das Geld fließt ist klar ersichtlich. In den Statistiken zum Ergebnishaushalb sind hierzu die Personal- und Versorgungsaufwendungen (S.17ff), die Aufwendungen für Soziales (S.21ff), die Aufwände für die Erhaltung von Gebäuden und Infrastruktur (S.25ff), die Zinskosten (S.29ff), Kosten der Beteiligung an Unternehmen (S.31ff) und die Aufwendungen für die "freiwilligen Leistungen" (S.35ff) aufgelistet.

  1. 4. Verbot der Neuverschuldung

Bevor wir uns den Problemstellungen zuwenden, muss man von einer neuen und wichtigen Spielregel gehört haben: Die Stadt darf sich nicht mehr weiter verschulden. Sie muss per Gesetz einen "ausgeglichenen" Haushalt vorlegen. Wird mehr ausgegeben als eingenommen, ist ein Haushalt nicht ausgeglichen. Früher konnte man dieses Problem ignorieren, weil die Stadt die Möglichkeit gehabt hat, immer mehr neue Schulden zu machen, d.h. sogenannte "Liquiditätskredite" aufzunehmen und dadurch im Vertrauen auf bessere Zeiten flexibel über ihre Verhältnisse zu leben. Dadurch sind in Jahrzehnten hohe Schulden aufgelaufen.

 

Dass Worms sich nicht weiter verschulden darf, ergibt sich aus dem Ratsbeschluss vom 24.05.2023, an der "Partnerschaft zur Entschuldung der Kommunen in Rheinland-Pfalz (PEK-RP)" teilzunehmen. Am Tag der Beschlussfassung ist man davon ausgegangen, dass Worms 46,3% seiner damals 252,6 Millionen Euro Schulden los wird, indem das Land diese Schuld übernimmt. Mit dem Effekt, auf einen Schlag von 116,8 Millionen Euro Tilgungsverpflichtungen befreit zu werden, wodurch man alleine in den nächsten 15 Jahren rund 55 Millionen Euro Zinsen sparen wird. Allerdings ist das an zwei Bedingungen geknüpft: Erstens keine neuen Liquiditätskredite aufzunehmen, also keine neuen zusätzlichen Schulden zu machen. Zweitens müssen die verbleibenden ca. 135,4 Millionen Euro Liquiditätskredite von Worms durch Zahlung jährlicher Tilgungen in den nächsten 30 Jahren (also bis 2055) auf Null reduziert werden. Im laufenden Betrieb ist der Effekt erstmal gering, wenn nicht sogar leicht negativ. Durch die Teilentschuldung sinken die Kosten für Kreditzinsen zwar pro Jahr überschlägig gerechnet um bis zu 3,6 Millionen Euro. Gleichzeitig aber fallen auch die bisherigen Mittelzuweisungen des Landes für den laufenden Schuldendienst in Höhe von rund 6 Millionen Euro weg. Da zudem das Land die Möglichkeit hat, sich die Kredite auszusuchen, die es zu übernehmen bereit ist, und die zinsgünstigeren Kredite bevorzugt, ist der zinskostensenkende Effekt weit geringer als erhofft. (siehe https://mdi.rlp.de/themen/staedte-und-gemeinden/kommunale-finanzstruktur/partnerschaft-zur-entschuldung-der-kommunen-in-rheinland-pfalz ; Protokoll der Stadtratssitzung siehe https://worms.gremien.info/meeting.php?sid=ni_2023-1-51&sort=&entry=15&datum_von=2004-09-01&datum_bis=2023-12-20&kriterium=si&suchbegriffe=PEK&select_gremium=&select_koerperschaft= Top 9, zum Effekt der wegfallenden Mittel aus dem Kommunalen Entschuldungsfonds Rheinland-Pfalz (KEF-RP) siehe Haushaltssatzungs-Entwurf S.13)

  1. 5. Problemstellung "ausgeglichener Haushalt" und Lösungsansätze

Der vorliegende Entwurf der Haushaltssatzung 2024 ist bereits um Schadensbegrenzung bemüht, indem von erhöhten kommunalen Steuersätzen ausgegangen wird, deren Beschluss noch gar nicht sicher ist.

 

Würden die Hebesätze der kommunalen Steuern nicht erhöht, wäre das Minus nochmals über 5 Millionen Euro höher. Selbst wenn die Stadt in 2024 auf alle sogenannten "freiwilligen Leistungen" verzichtete, also alle Museen schlösse, alle Ortsbeiräte nach Hause schickte, die Bibliothek und die Musikschule zusperrte und keine einzige Grünanlage mehr pflegte, fehlten immer noch rund 10 Millionen Euro, um einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen zu können.

 

Dies ist der Hintergrund dreier unterschiedlicher Diskussionsstränge, deren oberflächliche Diskussion in der Öffentlichkeit für Verwirrung sorgt:

  1. die Diskussion möglicher Steuererhöhungen
  2. die Diskussion möglicher Einsparungen im Bereich der freiwilligen Leistungen
  3. die Diskussion, ob die Zuweisung von Mitteln von Bund und Land für die der Kommune auferlegten Pflichtaufgaben ausreichend ist.

    1. 5.1 Steuererhöhungen und mittelfristige Steigerung von Erträgen aus kommunalen Steuern

In den vergangenen Tagen haben CDU und FDP von sich Reden gemacht, dass mit ihnen eine Erhöhung der Grund- und/oder Gewerbesteuer nicht zu machen sei. Ähnlich wie bei Hannes und der Bürgermeister hat damit die alljährlich aufgeführte Komödie "Die Steuererhöhung" begonnen. Im ersten Akt erzählt der Oberbürgermeister vom Stand der Haushaltsplanung und teilt mit, dass die Steuern erhöht werden müssen. Im zweiten Akt kommt es dann zum Aufschrei, üblicherweise vorgetragen von FDP und WWW, in diesem Jahr also von CDU und FDP. Im dritten Akt teilt dann die SPD mit, dass man ja handlungsfähig bleiben muss. Im vierten Akt stimmt die CDU dem zu, verwahrt sich aber gegen die Anhebung einer Steuer, bspw. der Grundsteuer. Im fünften Akt dann kommt es zur Haushaltsdebatte im Haupt- und Finanzausschuss, in der alle nochmal ihren Text aufsagen. Die Sitzung wird unterbrochen. In der Pause verständigen sich dann die Führer der vier größten Fraktionen, indem sie den Kämmerer Herrn Soller fragen, was denn nun die ADD zu ihrer Zufriedenheit mindestens sehen will, um unter Auflagen zu genehmigen. Darauf einigt man sich und eröffnet den Anwesenden die gefundene Lösung, woraufhin die WWW sich verweigert, während die große Koalition den Beschluss fasst. Der Vorgang ist gut für ein paar Zeitungsartikel in der Wormser Zeitung.

 

Worum es substantiell tatsächlich geht, steht jeweils in der Aufstellung der „Entwurfsveränderungen“, einem Dokument, aus denen man ersehen kann, wie sich die einzelnen Positionen verändert haben. Da die ADD schon seit geraumer Zeit anmahnt, den Hebesatz der Grundsteuer B auf ein landesübliches Niveau anzuheben, wird hier zum Beispiel vorgeschlagen, die Grundsteuer für 25.423 Steuerpflichtige um 26% anzuheben - von 555 auf 700 Punkte - um somit rund 5 Millionen Euro Mehreinnahmen zu erzeugen. Oder auch die Hundesteuer um 33% zu erhöhen, um von den 4287 Hundehaltern 171 Tausend Euro mehr zu erhalten.

    1. 5.2 Effizienz des Mitteleinsatzes

An der leeren Krippe schlagen sich die bravsten Pferde, heißt es. Angesichts leerer Kassen werden typischerweise alle Ausgaben kritisch durchleuchtet, die nicht aufgrund landes- oder bundesgesetzlicher Pflichtaufgaben erbracht werden müssen und also theoretisch gestrichen werden könnten. Die Frage ist immer, ob man im jeweiligen Bereich auch mit weniger Geld auskommen könnte, ob die richtigen Prioritäten gesetzt werden, oder aber, ob die knapper werdende Mittelausstattung durch eine erfolgreichere Erschließung und Nutzung von Fördermitteln der Bundes- und Landesebene verbessert werden könnte. Es dürfte eine Überlegung wert sein, ob Worms optimal aufgestellt ist, verfügbare Fördermittel zu akquirieren.

 

Die Effizienz des Mitteleinsatzes kann und muss aber nicht nur im Bereich der freiwilligen Leistungen geführt werden, sondern auch und gerade im Bereich des Stellenplans, der Bewirtschaftung von Gebäuden, bei Fahrzeugen, bei Betriebsmitteln uvm. sowie im Bereich der Strategie der Stadt bspw. hinsichtlich der Ansiedlung von Gewerbebetrieben oder hinsichtlich der Attraktivität der Stadt, um nicht nur Gewerbeansiedlungen, sondern auch potente Neubürger*innen anzulocken und potente Bürger*innen dank guter Kinderbetreuungsangebote und Schulen sowie einem attraktivem Wohnumfeld zu halten.

 

In diesem Zusammenhang kommt der Gründung der Haushaltskonsolidierungskommission 2024-2033 größte Bedeutung zu. Siehe ausführlich das Projektkonzept Haushaltskonsolidierung zu Top 5 der Sitzung des HFA. Interessant hieran ist, dass Andreas Soller dabei ausdrücklich darauf hinweist, dass es angesichts des grundgesetzlich verankerten Ziels der Gleichheit der Lebensverhältnisse auch um einen „Schutz der sogenannten freiwilligen Leistungen“ gehen muss. Die Haushaltskonsolidierung kann also nicht ausschließlich zu Lasten der freiwilligen Leistungen gehen, sondern muss ebenfalls stark in die Struktur der Verwaltung und in die Effizienz zur Erbringung der Pflichtaufgaben eingreifen, einschließlich der Straffung und Digitalisierung von Verwaltungsabläufen, der Ein- und Ausgliederung von Aufgabenbereichen, möglichen Privatisierungen, Schließung von Einrichtungen, aber auch der Entwicklung von Gewerbegebieten. Unter dem Vorsitz eines externen Beraters, der auf Haushaltskonsolidierungen spezialisiert ist, wird die Haushaltskonsolidierungskommission aus den Mitgliedern des HFA, dem Stadtvorstand, zwei Vertretern des Personalrats, Vertretern der Bereiche 1 (innere Verwaltung) und 2 (Finanzen) sowie aller Bereichsleitungen bestehen.

 

    1. 5.3 Mangelnde Mittelzuweisungen von Bund und Land

Der eigentliche Elefant im Raum ist die Verletzung des sogenannten "Konnexitätsprinzips". Es besagt, dass der Bund und das Land für die Kosten gebührend aufkommen müssen, die sie der Kommune verpflichtend zur Erledigung auferlegen. Das Konnexitätsprinzip geht auf Artikel 104a des Grundgesetzes zurück, demzufolge Aufgabenwahrnehmung und Finanzverantwortung grundsätzlich zusammengehören und also derjenige, der für die Wahrnehmung einer bestimmten Aufgabe zuständig ist auch für die damit verbundene Finanzierung verantwortlich ist.

 

Dieses Problem ist im Entwurf der Haushaltssatzung sehr plastisch auf Seite 22 im Zusammenhang mit den Aufwendungen und Erträgen hinsichtlich der sozialen Sicherung dargestellt. Bei 122 Millionen Euro Kosten nimmt Worms hierfür von Land und Bund nur Zuweisungen in Höhe von 58 Millionen Euro ein. Wohlgemerkt: Die Aufgaben der sozialen Sicherung resultieren nicht aus der freien Entscheidung des Stadtrats, sondern sind von Bund und Land auferlegte Pflichtaufgaben.

Die Pflichtaufgaben der sozialen Sicherung sind dabei auch nicht die einzigen derart unterfinanzierten Pflichtaufgaben.

 

Fielen die Mittelzuweisungen für Pflichtaufgaben von Bund und Land „nur“ 31 Millionen Euro höher aus, wäre der Wormser Haushalt ausgeglichen. Weil Bund und Land ihre Macht im Widerspruch zur Idee des Grundgesetzes nutzen, Kommunen Pflichten aufzuerlegen, ohne diese auskömmlich zu finanzieren, reagieren CDU und FDP ad hoc mit einer symbolischen Verweigerung.

 

Deshalb soll auch die Haushaltskonsolidierungskommission sich für eine übergeordnete kommunale Finanzreform einsetzen, wozu die Forderung nach einer Altschuldenlösung durch den Bund, eine laufende kritische Überprüfung des kommunalen Finanzausgleichs und insbesondere die Überwachung der Einhaltung des Konnexitätsprinzips u.a. auch und gerade bei neu übertragenen Aufgaben zählen.

  1. 6. Strategiediskussion der gestaltgebenden Kommunalpolitik

Die aktuelle Debatte des Haushaltsdefizits und der Erhöhung kommunaler Steuern dreht sich vorrangig um den Ergebnishaushalt. Also um die Frage, warum das Girokonto nach Stand der aktuellen Planung "überzogen" werden würde sowie ob und was sich dagegen tun lässt.

 

Die Haushaltssituation von Worms hat mittelfristig aber sehr viel mit der gestaltgebenden Kommunalpolitik und der Aufstellung der Stadtverwaltung insgesamt zu tun, d.h. mit der Frage, ob die richtigen Strategien verfolgt werden, die Verwaltung effizient arbeitet und die ergriffenen Maßnahmen effektiv sind.

 

Die inhaltliche Arbeit der kommenden Monate und Jahre, sowohl in Vorbereitung des kommunalen Wahlprogramms, aber auch in Vorbereitung des Haushaltsentwurf 2025 und fortfolgende, bedarf der kritischen Diskussion der Liste der Investitionen und des Stellenplans vor dem Hintergrund der verfolgten Gesamt- und Einzelstrategien, die ich hier in Kapitel 1 thematisiert habe.